Paradigmenwechsel beim Schutz von Versorgungsinfrastrukturen

Ein neuer Ansatz für den Schutz kritischer Infrastrukturen im 21. Jahrhundert

 

Grafik Baggerschaden/Sabotage

Von der Baggerschadenstrategie zur Security- und Resilienzstrategie

Versorgungsinfrastrukturen wie Strom-, Wasser-, Gas- und Telekommunikationsnetze bilden das Rückgrat moderner Gesellschaften. Ihr störungsfreier Betrieb ist essenziell für Wirtschaft, Gesundheit und Sicherheit. Während sich die Sicherheitsstrategien in der Vergangenheit oft auf den Schutz gegen zufällige Schäden konzentrierten – insbesondere durch Bauarbeiten (die sogenannte „Baggerschadenstrategie“) –, rückt heute ein umfassenderes Verständnis von Bedrohungen, Schwachstellen und Widerstandsfähigkeit in den Mittelpunkt. Dieser Paradigmenwechsel hin zu einer zusätzlichen Security- und Resilienzstrategie ist das Resultat gestiegener technischer, gesellschaftlicher und geopolitischer Anforderungen.

Historische Entwicklung: Die Baggerschadenstrategie

Bis in die 1990er und frühen 2000er Jahre bestand der Hauptfokus beim Schutz von Versorgungsinfrastrukturen darin, sie vor versehentlichen Beschädigungen, etwa durch Bauarbeiten, zu bewahren. Besonders häufig kam es vor, dass Bagger bei Erdarbeiten versehentlich Kabel, Rohre oder Leitungen durchtrennten – mitunter mit gravierenden Auswirkungen.

Grafik Bagger beschädigt Stromleitung

Präventionsmaßnahmen wie Leitungspläne, Markierungen und Informationskampagnen für Bauunternehmen spielten eine zentrale Rolle. Das Schadensmanagement war reaktiv ausgerichtet und setzte nach Eintritt eines Vorfalls an, um Ausfallzeiten und Reparaturdauer zu minimieren. >Regelwerke wie die DVGW GW 129 (A) / VDE-AR-N 4224 / DWA-M 129 / AGFW-A FW 606 „Sicherheit bei Arbeiten im Bereich von Netzanlagen – Ausführende, Aufsichtspersonen und Arbeitsvorbereitende: Anforderungen und Qualifikation“ sowie entsprechende Schulungsangebote und technische Lösungen wie Sensorik zur Ortung wurden eingeführt. Zudem entstanden >Online-Auskunftsplattformen, die es Planungsbüros und Baufirmen erleichtern, im Rahmen der Erkundigungspflicht aktuelle Leitungspläne der betreffenden Netzbetreiber einzuholen, um Bauarbeiten vor Ort auf der Baustelle sicherer zu machen.

Im Bereich >Safety und Prävention sieht der VST sein ursprünglich originäres Aufgabenfeld und sieht hier auch weiterhin ein Standbein zur kontinuierlichen Sensibilisierung der betreffenden Zielgruppen im Baugewerbe. Auch die Gremienarbeit unserer Fachleute in Verbänden, Institutionen und im Bund trägt dazu bei, dass die Thematik eine >breitangelegte Öffentlichkeit bekommen hat.

Obwohl diese Herangehensweise erfolgreich viele Schäden verhindert oder deren Folgen minimiert, ist sie im Grunde auf Ereignisse im Rahmen von Bauarbeiten in der Nähe oder direkt an Versorgungsinfrastrukturen fokussiert.

Paradigmenwechsel notwendig

Anschlag auf einen Strommasten
Mit der Digitalisierung, Globalisierung und zunehmenden Vernetzung stiegen jedoch die Anforderungen an den Schutz kritischer Infrastrukturen. Neue Bedrohungen erfordern einen ganzheitlichen Ansatz:
  • Zunahme gezielter Angriffe: Sabotageakte, terroristische Anschläge, Cyberangriffe und hybride Bedrohungen rückten in den Vordergrund.
    – Anschlag auf die Tesla-Stromversorgung  >>>
    – Brandanschlag auf das Berliner Stromnetz >>>
  • Klimawandel und Naturkatastrophen: Extremwetterereignisse wie Hochwasser, Sturm oder Hitzeperioden gefährden Transport- und Verteilnetze und -infrastrukturen sowie Kraftwerke zunehmend.
    – Flutkatastrophe im Ahrtal >>>
  • Gesellschaftliche Abhängigkeit: Die Digitalisierung und Automatisierung verschärfen die Verwundbarkeit – bereits kurze Ausfälle können massive Folgen für Wirtschaft und Bevölkerung haben.
    – Anschlag auf Kabelsysteme der Deutschen Bahn >>>
  • Regulatorische Veränderungen: Nationale und internationale Vorgaben, wie das KRITIS-Dach-Gesetz, das IT-Sicherheitsgesetz oder die EU-NIS-Richtlinie, setzen neue Standards für den Schutz kritischer Infrastrukturen. >>>
Diese Entwicklungen zeigen die Grenzen der klassischen Baggerschadenstrategie auf und machen einen Paradigmenwechsel zum Erhalt und Schutz der Versorgungsinfrastrukturen für Energie-, Wasser- und Telekommunikation notwendig.