Bedeutung und Aufgaben von Krisenstäben bei Naturkatastrophen

Krisenstäbe spielen eine zentrale Rolle bei der Bewältigung von Naturkatastrophen. Sie stellen sicher, dass auf Krisensituationen schnell und koordiniert reagiert wird, indem sie die wesentlichen Entscheidungen treffen und die Zusammenarbeit aller beteiligten Organisationen steuern.

Illustration Katastrophenschutz

Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Katastrophenfall

Im Ernstfall liegt es in der Verantwortung des Krisenstabs, die Lage umfassend zu bewerten, Prioritäten für erforderliche Maßnahmen zu setzen und die Kommunikation sowohl mit Behörden und Einsatzkräften als auch mit der Bevölkerung sicherzustellen. Dabei steht insbesondere die Koordination von Rettungsmaßnahmen, Versorgung und Schutz der Betroffenen im Fokus.

Eine sorgfältige Vorbereitung sowie die Auswahl qualifizierter Mitglieder aus verschiedenen Organisationen sind entscheidend für die Wirksamkeit des Krisenstabs. Die unterschiedlichen Kompetenzen der Beteiligten und eine enge, bereichsübergreifende Zusammenarbeit bilden die Grundlage für eine erfolgreiche Krisenbewältigung.

Regelwerke, regionale Anpassung und Zusammenarbeit

Bei der Organisation und operativen Arbeit eines Krisenstabs werden geltende Regelwerke und fachliche Vorgaben berücksichtigt. Gleichzeitig fließen regionale Erfahrungen und bewährte Verfahren ein, um die Abläufe optimal an die spezifischen Gegebenheiten vor Ort anzupassen.

Die Kooperation zwischen benachbarten Kommunen und Landratsämtern ist im Katastrophenschutz von besonderer Bedeutung. Im Ernstfall steht die gegenseitige Unterstützung im Vordergrund: Kommunen stimmen ihre Ressourcen und Maßnahmen ab und unterstützen sich bei der Einsatzbewältigung. Landratsämter übernehmen dabei häufig eine koordinierende Rolle, indem sie Informationen bündeln und die Kommunikation zwischen den Gemeinden gewährleisten.

Strukturen und Zuständigkeiten im Katastrophenschutz

Illustration Katastrophenschutzübung

Innerhalb eines Bundeslandes existiert eine klare Hierarchie: Die untere Katastrophenschutzbehörde ist in der Regel beim Landratsamt oder bei der kreisfreien Stadt angesiedelt. Bei großflächigen Schadenslagen kann die Zuständigkeit auf die obere Katastrophenschutzbehörde des Landes übergehen. Die Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen ist in den jeweiligen Katastrophenschutzgesetzen geregelt. Die Länder tragen die Hauptverantwortung, während der Bund insbesondere bei länderübergreifenden oder besonders schweren Katastrophen unterstützend tätig wird.

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) koordiniert auf Bundesebene die Zusammenarbeit der Länder und stellt Leitlinien, Materialien und Unterstützung bereit. Darüber hinaus fördert das BBK den Erfahrungsaustausch sowie die Aus- und Fortbildung im Bevölkerungsschutz.

Beteiligung kritischer Infrastruktur und Netzbetreiber.

Die Einbindung von Versorgungsnetzbetreibern aus den Bereichen Gas, Wasser und Energie ist für die Arbeit der Krisenstäbe besonders wichtig. Diese Akteure liefern relevante Informationen zum Zustand und zur Belastbarkeit kritischer Infrastrukturen, erkennen frühzeitig Engpässe und ermöglichen gezielte Maßnahmen. Durch die enge Zusammenarbeit können Versorgungsstörungen rasch behoben und die Auswirkungen auf die Bevölkerung minimiert werden.

Gerade in der Anfangsphase einer Krise kann es oftmals notwendig sein, provisorische Lösungen einzusetzen, auch wenn diese nicht immer sämtlichen technischen Regelwerken entsprechen. Solche Übergangsmaßnahmen sind entscheidend, um akute Engpässe – beispielsweise bei Strom, Wasser oder Kommunikation – kurzfristig zu überbrücken und die Handlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Dennoch bleibt das Ziel, so bald wie möglich zu regulären Installationen und stabilen Infrastrukturen zurückzukehren, um eine langfristige Sicherheit zu gewährleisten.

Nach Abschluss des akuten Krisengeschehens obliegt es den beteiligten Akteuren, die gemachten Erfahrungen systematisch auszuwerten und die daraus gewonnenen Erkenntnisse als „First Best Practice“ in bestehende Regelwerke oder Handreichungen einfließen zu lassen.

Krisenstab Analyse

Am Beispiel der Hochwasserlage im Ahrtal 2021 wird deutlich, wie unverzichtbar provisorische Lösungen in den ersten Stunden und Tagen nach dem Ereignis waren, um die Versorgung der betroffenen Bevölkerung sicherzustellen. Solche Praxisbeispiele sollten dokumentiert und in künftige Planungen einbezogen werden, um die Resilienz und Handlungsfähigkeit im Katastrophenfall weiter zu stärken.

Vorbereitung, Übungen und Einbindung der Bevölkerung

Um auf aktuelle und sich verändernde Gefahrenlagen vorbereitet zu sein, ist eine regelmäßige Bewertung und Anpassung potenzieller Ereignisszenarien unerlässlich. Krisenstäbe sollten ihre Pläne und Abläufe kontinuierlich überprüfen und auf neue Risiken und Entwicklungen abstimmen.

Die sorgfältige Dokumentation aller wesentlichen Abläufe, beispielsweise im Einsatztagebuch, bildet die Grundlage für eine transparente Nachverfolgung von Entscheidungen und Maßnahmen während des Einsatzes. Sie ermöglicht es, auch unter hoher Belastung jederzeit nachvollziehbar zu bleiben und spätere Auswertungen zu vereinfachen. Indem die einzelnen Handlungsschritte und deren Hintergründe festgehalten werden, können wertvolle Erkenntnisse für zukünftige Einsätze gewonnen und die kontinuierliche Verbesserung der Krisenstabsarbeit sichergestellt werden. Zudem fördert eine lückenlose Dokumentation das Vertrauen innerhalb des Teams und gegenüber externen Beteiligten, da sie die Professionalität und Verlässlichkeit des Vorgehens unterstreicht.

Krisenstab Dokumentation

Übungen sind notwendig, um Abläufe zu testen, Schwachstellen zu erkennen und die Einsatzbereitschaft aller Beteiligten sicherzustellen. Die Analyse der Krisenstabsarbeit nach der Übung zeigt in der Regel, dass eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Methoden und Strukturen unerlässlich ist, um den komplexen Anforderungen moderner Schadenslagen gerecht zu werden.

Die aktive Einbindung der Bevölkerung in Übungen und in die Arbeit der Krisenstäbe trägt maßgeblich zur Stärkung der Resilienz der Zivilgesellschaft bei. Gezielte Informations- und Beteiligungsangebote fördern das Verständnis für Präventions- und Schutzmaßnahmen, sodass Bürgerinnen und Bürger im Ernstfall angemessen reagieren können. Eine offene Kommunikation schafft Vertrauen in die Krisenbewältigung und motiviert zur Mitwirkung.

Illustration Einbinden der Bevölkerung bei Katastrophenschutzübungen

Vorgefertigte Text(bausteine) für Pressearbeit sind ein zentrales Element, um in akuten Krisensituationen eine schnelle und einheitliche Kommunikation nach außen sicherzustellen. Gerade unter hohem Zeitdruck ermöglicht es ein vorbereitetes Repertoire an Textbausteinen, Medien und Öffentlichkeit zeitnah zu informieren und Unsicherheiten vorzubeugen. Eine konsequente Nutzung von Social Media, Websites, Rundfunk und lokalen Informationssystemen erweitert dabei die Reichweite und sorgt dafür, dass wichtige Hinweise und Anweisungen zielgruppengerecht verbreitet werden. Diese Vorlagen sollten regelmäßig auf ihre Aktualität und Verständlichkeit überprüft sowie an die jeweilige Krisenlage angepasst werden, um Transparenz und Vertrauen in das Krisenmanagement zu stärken.

Durch die strukturierte Medienarbeit wird es zudem erleichtert, gezielt auf Fragen und Sorgen der Bevölkerung einzugehen und die eigene Handlungsfähigkeit offensiv zu vermitteln. Ebenso sollten Rückmeldungen aus der Bevölkerung systematisch aufgenommen und in die weitere Krisenkommunikation eingebunden werden, um auf aktuelle Bedarfe und Fragen flexibel reagieren zu können. So trägt eine breit angelegte, interaktive Informationsstrategie dazu bei, die Transparenz zu erhöhen und die Akzeptanz der getroffenen Maßnahmen weiter zu stärken.

Mit einer sorgfältigen Medienplanung und genau definierten Presseansprechpartnern auf Krisenstabsseite bleibt der Krisenstab auch im Ausnahmefall kommunikationsfähig und kann die Koordinierung weiterführender Maßnahmen optimal unterstützen.


Dipl.-Ing. (TH) Markus Becker, Geschäftsführer der >Berthold Becker Büro für Ingenieur- und Tiefbau GmbH in Bad Neuenahr-Ahrweiler (Mitarbeit im Krisenstab Bad Neuenahr 2021 während der Flutkatastrophe im Ahrtal) .

Ein wichtiger Aspekt für die erfolgreiche Arbeit des Krisenstabs ist es, erfahrenen und verantwortungsbewussten Mitarbeitenden möglichst viel Gestaltungsfreiheit zu gewähren. Durch ihr Fachwissen sind sie in der Lage, fundierte Analysen zu potenziellen Gefahren und neuralgischen Punkten zu erstellen und diese Erkenntnisse gezielt in die Einsatzplanung einzubringen. Im Ernstfall bearbeiten sie diese kritischen Aspekte mit hohem Verantwortungsbewusstsein und tragen so maßgeblich zum erfolgreichen Krisenmanagement bei.

Nicht zu vergessen: Auch ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ruhestand, die über spezielles Fachwissen verfügen, sollten in den Krisenstab einbezogen werden. Ihre langjährige Erfahrung kann in Ausnahmesituationen besonders wertvoll sein und die Arbeit des Teams sinnvoll ergänzen. Im Ahrtal haben wir gerade auch auf diese Mitarbeiter gesetzt – sie fanden oftmals schnell eine Lösung, weil sie die regionalen Begebenheiten der Versorgungsinfrastrukturen vor Ort gut kannten.“


 

Infrastruktur, Arbeitsgruppen und Kontaktmöglichkeiten

Illustration Krisenstab

Im Katastrophenfall kann es erforderlich sein, auf Ersatzgebäude und spezielle technische Ausstattung zurückzugreifen, um die Handlungsfähigkeit des Krisenstabs auch bei Ausfall der regulären Infrastruktur sicherzustellen.

Ein wesentlicher Aspekt der Krisenstabsarbeit ist die technische Zweitausstattung, die dann zum Einsatz kommt, wenn das ursprüngliche Gebäude des Krisenstabs beschädigt oder unbenutzbar ist. Dazu gehören mobile Notstrom-Aggregate, PCs, Drucker, alternative Telefonie-Lösungen – beispielsweise die Nutzung von 450 MHz-Technologie für besonders krisenfeste Kommunikation – und gesicherte Internetzugänge. Auch in Zeiten der Digitalisierung sollten analoge Kommunikationsmittel nicht vergessen werden – denn in den ersten Stunden kann durchaus Strom und Telekommunikation (Handy) ausgefallen sein. Hier kann der klassische Moderationskoffer gute Dienste leisten – und ein paar Packungen DIN-A 4-Papier samt Stiften.

Netzbetreiber sollten ihre (Netz-)Pläne und Anweisungen ebenfalls analog auf Papier vorhalten. Ebenso ist es ratsam, ergänzende Unterlagen wie technische Übersichten, Kontaktlisten und Notfallabläufe in physischer Form bereitzuhalten, damit sie auch bei digitalen Ausfällen unmittelbar verfügbar sind. Durch diese zusätzliche Vorsorge bleibt die Kommunikation und Koordination selbst bei Strom- oder IT-Ausfällen gewährleistet und die Netzbetreiber können flexibel und zielgerichtet auf Störungen reagieren. Die Integration solcher redundanten Dokumentationen in die regelmäßigen Notfallübungen stärkt darüber hinaus die Handlungssicherheit aller Beteiligten und fördert einen routinierten Umgang mit unerwarteten Herausforderungen.

Durch die frühzeitige Abstimmung mit externen Dienstleistern und technischen Experten kann eine schnelle Wiederherstellung der Kommunikations- und Steuerungsprozesse gewährleistet werden. Ergänzend dazu sollten regelmäßige Schulungen und Notfallübungen durchgeführt werden, damit alle Beteiligten im Krisenstab die Nutzung alternativer Arbeitsmittel und die Abläufe im Ausnahmefall sicher beherrschen. Die enge Zusammenarbeit mit den Netzbetreibern und die Integration von deren Experten in die Arbeitsgruppen bieten zudem die Möglichkeit, technische Schnittstellen und Kommunikationswege gezielt abzusichern und im Bedarfsfall flexibel zu reagieren. Nur durch diese vorausschauende Planung und den gezielten Aufbau von Redundanzen lässt sich die Einsatzfähigkeit des Krisenstabs auch unter schwierigen Bedingungen an einem Ausweichstandort dauerhaft gewährleisten.

Krisenstab Verpflegung Schlafraum

Auch die Sicherstellung grundlegender Versorgungsleistungen ist in die Planung einzubeziehen. Neben der logistischen Organisation von Mahlzeiten und Unterkünften gewinnt insbesondere die psychosoziale Begleitung an Bedeutung, um die Belastungen für das Team abzufedern und die Einsatzfähigkeit zu erhalten. Speziell eingerichtete Ruheräume und Angebote zur Kinderbetreuung ermöglichen es, auch Mitarbeitende mit familiären Verpflichtungen bestmöglich einzubinden und deren Ressourcen optimal zu nutzen. So wird gewährleistet, dass sich das Krisenstabsteam voll und ganz auf die Bewältigung der jeweiligen Lage konzentrieren kann und die vielfältigen Kompetenzen aller Teammitglieder auch unter herausfordernden Bedingungen dauerhaft erhalten bleiben.

Das Thema Krisenstab wird auf VST-Kritis.de durch eine eigene Arbeitsgruppe und externe Fachleute vertieft.