In unserer vernetzten Welt sind Stromversorgung und Kommunikationstechnologien unabdingbar voneinander abhängig. Daher ist die Resilienz der betreffenden Netzbetreiber in Deutschland – aber auch der EU – ein wichtiges Thema, insbesondere angesichts zunehmender Bedrohungen wie extremen Wetterereignissen sowie Sabotage und Cyberangriffen. Das zukünftige KRITIS-Dach-Gesetz zielt darauf ab, den physischen Schutz kritischer Infrastrukturen in Deutschland zu stärken. Nach dem All-Gefahren-Ansatz sollen alle erdenkbaren Risiken abgedeckt werden, die Natur oder Mensch verursachen könnten.
Doch noch sind die gesetzlichen Vorgaben seitens der Regierung nicht abschließend definiert und beschlossen. Und für die Umsetzung fehlen Konzepte und Leitlinien in Absprache mit den betreffenden Parteien aus Industrie, Herstellern, Energieversorgern, Telekommunikationsanbietern, Netzbetreibern, Verbänden und nicht zuletzt auch den Behörden in den Ländern und Kommunen.
Eine interdisziplinäre Expertengruppe von Northern Business School NBS aus Hamburg, dem ANGA-Breitbandverband e.V. sowie dem VST Verband Sichere Transport- und Verteilnetze / KRITIS e.V. wird daher in den kommenden Monaten zunächst einmal der Frage nachgehen, wie resilient sind eigentlich unsere Strom- und Kommunikationsnetze? Welche Annahmen, wie extreme Wetterereignisse und Cyberangriffe, müssen mitbedacht werden. Und ganz besonders steht im Fokus der Überlegungen, wie müssen Behörden, Hilfs- und Rettungsdienste und Netzbetreiber miteinander verknüpft sein, um im Krisenfalle schnell und zielgerichtet agieren zu können.
Carsten Engelke, ANGA: „Noch kennen wir die Einzelheiten der betreffenden Gesetze wie dem KRITIS Dach-Gesetz und der NIS-2-Richtlinie nicht einmal annähernd. Die Veröffentlichung verzögert sich kontinuierlich. Das einzige, was uns industrieseitig klar ist, im Krisenfall sollen und müssen wir funktionieren – doch wie die Zusammenarbeit mit den Behörden geschehen soll, welche Wege beschritten werden sollen, ist noch vollkommen unklar.“ Jan Syré, politischer Sprecher des VST, ergänzt dazu: „Stromnetze und Kommunikationsdienste müssen systemisch zusammen betrachtet werden. Das setzt einerseits sektorenübergreifendes Denken und Handeln voraus. Andererseits benötigen die Akteure dringend entsprechende Kompetenzen, Zuständigkeiten und Befugnisse. Auf dem Papier sieht es einfach aus, aber in der Realität müssen wir Netzbetreiber mit Behörden aus dem Bund (wie beispielsweise der Bundeswehr), den Ländern (Polizei, Rettungsdienste) und nicht zuletzt den Vertretern der Kommunen an einen Tisch kommen.“
„Das Kompetenzsplitting geht aber weiter“, so Prof. Dr. André Röhl, NBS, „die Bundesländer sind für die Bewältigung von Katastrophen, Unfällen, Naturgefahren und Kriminalität laut Grundgesetz verantwortlich. Der Bund soll die Bevölkerung vor militärischen Gefahren schützen. Dafür ist eine andauernde Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Kommunen erforderlich, deren Ergebnisse in weiteren Aufgaben und Planungen in den Bundesministerien münden. Soll das effektiv sein, müssen auch beispielsweise auch die die Netzbetreiber aller Sparten eingebunden sein.“ „Da weiß keiner genau, was auf uns zukommen wird. Welche Mindestverpflichtungen für Betreiber kritischer Anlagen vorgesehen sind? Welche Maßnahmen und Berichtspflichten sind vorgesehen? Wie sind Verantwortlichkeiten definiert!? Welche Schnittstellen müssen geschaffen werden?
Um sich hier vorzubereiten, kamen die Verbandsvertreter von ANGA und VST am letzten Septemberwochenende in Hamburg bei der NBS zusammen, um hier ein erstes Konzept für eine Roadmap „Resilienz für KRITIS/Netzbetreiber“ zu entwickeln. Geplant ist noch in diesem Jahr einen weiteren Workshop zu veranstalten, zu dem Vertreter von Netzbetreibern, Behörden und Forschung und Ausbildung eingeladen werden sollen.