In den letzten Jahren nehmen Naturkatastrophen wie Waldbrände, Starkregenereignisse, Hochwasser und Überflutungen, Stürme oder extreme Kälteperioden in Häufigkeit und Intensität global spürbar zu. Der Klimawandel verstärkt diese Entwicklungen und stellt Energieversorgungsinfrastrukturen vor neue, komplexe Herausforderungen – auch in der EU und bei uns in Deutschland. Gerade in einer hochvernetzten und auf Versorgungssicherheit angewiesenen Gesellschaft wie der unseren ist die Widerstandsfähigkeit der Energie- und Wasserversorgungsnetze und -infrastrukturen von zentraler Bedeutung. Der Schutz und die Resilienz dieser kritischen Infrastrukturen (KRITIS) sind entscheidend für die Versorgungssicherheit von Bevölkerung, Wirtschaft und öffentlicher Hand.
Was bedeuten Resilienz und Security?
Resilienz beschreibt die Fähigkeit eines Systems, Störungen – etwa durch Naturkatastrophen – nicht nur zu überstehen, sondern sich schnell wieder zu erholen und die Versorgung aufrechtzuerhalten. Dabei geht es sowohl um bauliche als auch um organisatorische Maßnahmen. Security umfasst alle technischen, organisatorischen und personellen Maßnahmen, die den Schutz von Infrastrukturen gewährleisten. Im Kontext von Naturkatastrophen bedeutet Security vor allem, Risiken frühzeitig zu erkennen, angemessen zu reagieren und Ausfallzeiten zu minimieren.
Herausforderungen für Transport- und Versorgungsnetzbetreiber
Betreiber von Strom-, Gas- und anderen Versorgungsnetzen stehen vor der Aufgabe, ihre Anlagen gegen eine Vielzahl von Bedrohungen abzusichern. Naturkatastrophen sind dabei besonders herausfordernd, da sie oft großflächig und unvorhersehbar auftreten. Die Komplexität der Netze, die Alterung von Infrastrukturen und die steigenden Anforderungen an Versorgungssicherheit erschweren die Lage zusätzlich. Zudem erfordern gesetzliche Vorgaben und gesellschaftliche Erwartungen einen kontinuierlichen Ausbau von Resilienz und Security.
Herausforderungen sind unter anderem:
- Infrastruktur-Altlasten: Viele Netze sind nicht auf extreme Wetterereignisse ausgelegt und benötigen aufwändige Nachrüstungen.
- Komplexe Abhängigkeiten: Strom-, Gas-, Wasser- und Telekommunikationsnetze sind eng miteinander verzahnt. Ein Ausfall in einem Bereich kann weitreichende Kettenreaktionen verursachen.
- Koordination und Kommunikation: Im Katastrophenfall müssen viele Akteure effektiv zusammenarbeiten – von Netzbetreibern über Behörden bis hin zu Rettungsdiensten.
Neue Gefahren durch den Klimawandel
Der Klimawandel führt zu häufigeren und extremeren Wetterereignissen. Hitzeperioden, anhaltende Dürren, heftige Niederschläge und Stürme nehmen zu. Diese Veränderungen bringen neue Risiken für Energieinfrastrukturen mit sich, auf die Netzbetreiber reagieren müssen. Beispielsweise können langanhaltende Trockenphasen zu Waldbränden führen, während Starkregenereignisse Überschwemmungen und Erdrutsche auslösen können. Naturkatastrophen treten oft plötzlich auf und sind in ihrer Intensität schwer vorherzusehen.
Exemplarische Gefahren: Waldbrände, Hochwasser, Stürme und mehr
- Waldbrände: Durch Hitze und Trockenheit ausgelöste Brände gefährden Stromleitungen, Umspannwerke und Windkraftanlagen. Rauch und Ruß können zudem die Funktion von Photovoltaikanlagen beeinträchtigen.
- Starkregen und Hochwasser: Überschwemmungen setzen Trafostationen, Umspannwerke und unterirdische Leitungen unter Wasser. Dies kann zu Kurzschlüssen und längeren Versorgungsausfällen führen. Teilweise können auch größere Teile der Infrastrukturen komplett zerstört werden.
- Stürme und Orkane: Gewaltige Windböen knicken Strommasten um, beschädigen Freileitungen und gefährden Windkraftanlagen sowie Photovoltaikfelder.
- Sturmfluten: Besonders in Küstenregionen bedrohen Sturmfluten die Energieversorgung. Kraftwerke, Umspannwerke und Leitungen in Küstennähe sind gefährdet.
- Schnee und Frost: Schwere Schneelasten können Strommasten und Leitungen zum Einsturz bringen. Frost führt zu Rissen in erdnah oder auch unterirdisch verlegten Leitungen und gefährdet die Versorgungssicherheit.
- Trockene Böden: Anhaltende Trockenheit lässt Böden schrumpfen, was zu Spannungen und Schäden an unterirdischen Rohrleitungen (Dichtungsmaterial und Ummantelung) führen kann.
Heike Böhmer. GF-Direktorin Institut für Bauforschung e.V. , Hannover (>IFB – Institut für Bauforschung | Hannover)
„Schäden an Bauwerken durch Extremwetter haben in den letzten Jahren nachweisbar zugenommen. Das trifft neben Gebäuden auch Infrastrukturen, wie bauliche Anlagen und Leitungen zur Energieversorgung. Zum Schadenbild nach Extremwetterereignissen, wie Starkregen, Gewitterereignissen mit Bränden, Hagel oder Überflutungen, gehören neben den direkten Beschädigungen auch Auswirkungen und Folgeschäden durch den Ausfall der Versorgung. Die Analysen der vergangenen Jahre lassen, ebenso wie daraus ableitbare Trends, entsprechende Entwicklungen auch für die Zukunft erkennen. Die Herausforderungen für Netzbetreiber werden in den kommenden Jahren insofern weiter zunehmen – aber auch die Bevölkerung muss sich dringend auf die Folgen von Extremwetter als z.B. Klimawandelfolge einrichten.“
Besonders gefährdete Versorgungsinfrastrukturen
- Strommasten und Freileitungen: Anfällig für Sturmschäden, Eislasten und Brände.
- Umspannwerke: Gefahr durch Überschwemmungen, Brände und Stromausfälle.
- Windkraftanlagen: Besonders exponiert gegenüber Stürmen, Eis und Blitzeinschlägen.
- Photovoltaikanlagen: Empfindlich gegenüber Hagel, Sturm und Verschmutzung durch Rauch oder Staub.
- Rohrleitungen (Gas, Wasser): Schäden durch Bodenerosion, Frost oder Trockenheit.
Mögliche Gegenmaßnahmen: baulich und organisatorisch
- Bauliche Maßnahmen: Verstärkung von Masten und Trägern, Erhöhung von Schutzmauern, Einsatz von feuerfesten Materialien, Anhebung sensibler Anlagen über mögliche Hochwasserstände, verbesserte Fundamentierung von Windkraftanlagen, Schutzummantelungen für Rohrleitungen.
- Organisatorische Maßnahmen: Frühwarnsysteme, regelmäßige Wartung, Notfallpläne, Simulationen und Übungen, gezielte Schulungen des Personals, Aufbau von Redundanzen und alternativen Versorgungswegen, Kooperationen mit anderen Netzbetreibern.
Bedeutung von Resilienz für Bevölkerung, Wirtschaft, Deutschland und die EU
Eine widerstandsfähige Energieversorgung ist die Grundlage für das Funktionieren von Gesellschaft und Wirtschaft. Ausfälle betreffen nicht nur Privathaushalte, sondern auch Industrie, Gesundheitswesen und öffentliche Sicherheit. In einer vernetzten Welt sind Störungen zudem schnell grenzüberschreitend spürbar. Die Stärkung der Resilienz schützt somit nicht nur einzelne Regionen, sondern ist von nationaler und europäischer Bedeutung. Investitionen in die Resilienz der Energieinfrastruktur sichern Wohlstand, Arbeitsplätze und die Lebensqualität in Deutschland und der EU.
Worauf sich Menschen in Deutschland einstellen müssen
Angesichts zunehmender Naturkatastrophen müssen sich Bürgerinnen und Bürger auf häufigere und längere Versorgungsunterbrechungen einstellen. Es ist ratsam, Grundkenntnisse im Umgang mit Notfällen zu erwerben, Vorräte anzulegen und sich über Warnsysteme zu informieren. Gleichzeitig ist es wichtig, das Bewusstsein für den eigenen Beitrag zum Schutz der Infrastruktur zu stärken, etwa durch verantwortungsbewussten Umgang mit Energie und die Unterstützung von Initiativen zur Klimaanpassung.
Fazit und Ausblick
Die Herausforderungen durch zunehmende Naturkatastrophen sind groß, aber nicht unüberwindbar. Mit gezielten baulichen und organisatorischen Maßnahmen, einer starken Solidargemeinschaft und einem klaren Bekenntnis zu Resilienz und Security kann die Energieversorgung auch in Zukunft sicher und zuverlässig gestaltet werden.
Die Rolle der Solidargemeinschaft VST-KRITIS.de
VST-KRITIS.de versteht sich als Solidargemeinschaft von Netzbetreibern, Fachleuten und Interessierten, die sich gemeinsam für die Resilienz und Sicherheit kritischer Infrastrukturen einsetzen. Durch Erfahrungsaustausch, Diskussion und Entwicklung von Best Practices und die Förderung von Innovationen trägt der VST dazu bei, die Energieversorgung auch in Zeiten des Klimawandels zu sichern. Die Plattform bietet seinen Mitgliedsunternehmen Informationen, Vernetzung und Unterstützung für alle, die sich dem Schutz unserer Energieinfrastruktur verpflichtet fühlen.