Kriegstüchtigkeit und Resilienz von Versorgungsnetzen

Bedeutung, Projekte und Kooperationen im Krisenfall

Die Sicherheit und Funktionsfähigkeit kritischer Versorgungsnetze – insbesondere in den Bereichen Energie und Wasser – ist von zentraler Bedeutung für das Funktionieren moderner Gesellschaften. Angesichts zunehmender geopolitischer Spannungen, hybrider Bedrohungslagen und sich häufender Naturkatastrophen rücken die Begriffe „Kriegstüchtigkeit“ und „Resilienz“ verstärkt in den Fokus von Netzbetreibern, Politik und Gesellschaft.

Kriegstüchtigkeit und Resilienz – Begriffsdefinition und Relevanz

Bedeutung von Kriegstüchtigkeit und Resilienz für Versorgungsnetze

Der Begriff „Kriegstüchtigkeit“ wurde maßgeblich durch den deutschen Verteidigungsminister Boris Pistorius in die sicherheitspolitische Debatte eingebracht. Unter „Kriegstüchtigkeit“ versteht man die Fähigkeit eines Staates, seiner Institutionen und kritischer Infrastrukturen, unter extremen Bedingungen – etwa im Verteidigungs- oder Spannungsfall – handlungsfähig zu bleiben und ihre Kernaufgaben zu erfüllen. Ziel ist es, die Gesellschaft und ihre Infrastrukturen widerstandsfähig gegenüber aktuellen und zukünftigen Bedrohungen zu machen, indem militärische, zivile und wirtschaftliche Ressourcen eng miteinander verzahnt werden. Im Kontext von Versorgungsnetzen bedeutet dies, dass Energie- und Wasserversorgung auch bei Angriffen, Sabotage oder Ausfall von Teilen der Infrastruktur möglichst aufrechterhalten werden müssen.

Resilienz beschreibt die Widerstandsfähigkeit von Systemen gegenüber Störungen jeglicher Art. Für Versorgungsnetze ist dies die Fähigkeit, nach Störungen – etwa durch Naturereignisse, technische Defekte oder gezielte Angriffe – schnell zu reagieren, Schäden zu begrenzen und die Versorgung wiederherzustellen. Resiliente Netze sind also nicht nur robust, sondern verfügen auch über Notfallpläne und Redundanzen.

Der Operationsplan Deutschland (OPLAN DEU)

Der Operationsplan Deutschland (OPLAN DEU) ist der militärische Anteil an der Gesamtverteidigung Deutschlands. Er führt die zentralen militärischen Anteile der Landes- und Bündnisverteidigung in Deutschland mit den dafür erforderlichen zivilen Unterstützungsleistungen in einem ausführbaren Plan zusammen. Er trifft damit die planerische Vorsorge, dass im Krisen- und Konfliktfall nach erfolgter politischer Entscheidung zielgerichtet und im verfassungsrechtlichen Rahmen gehandelt werden kann und ist somit Teil der Gesamtverteidigung Deutschlands. Aufgrund der veränderten Bedrohungslage und den Herausforderungen der Landes- und Bündnisverteidigung ist ein OPLAN DEU notwendig und ein zweckmäßiges Handlungsinstrument für die gesamtstaatliche Aufgabe „Verteidigung“. Allerdings ist der OPLAN DEU geheim und ein „Living Document“, das kontinuierlich angepasst und weiterentwickelt wird.

Illustration OPLAN DEU

Der OPLAN DEU regelt ausschließlich den militärischen Anteil der gesamtstaatlichen Verteidigungsplanung. Daneben steht der Zivilschutz. Dieser umfasst nicht-militärische Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung sowie lebenswichtiger ziviler Strukturen vor etwaigen Kriegseinwirkungen. Der Zivilschutz ist Teil der Zivilen Verteidigung. Diese hat zur Aufgabe, alle zivilen Maßnahmen zu planen, vorzubereiten und durchzuführen. Die zivilen Maßnahmen dienen zur Herstellung und Aufrechterhaltung der Verteidigungsfähigkeit einschließlich der Versorgung und dem Schutz der Bevölkerung. Die Federführung der zivilen Verteidigungsplanung liegt im Bundesministerium des Innern.

Weitere Informationen OPLAN DEU >>>

Versorgungsnetzinfrastrukturen im Fokus: Energie- und Wasserversorgung

Energie- und Wasserversorgungsnetze bilden das Rückgrat jeder Gesellschaft. Sie sind hochvernetzt und oft überregional oder sogar international gekoppelt. Ein Ausfall kann weitreichende Konsequenzen haben, von der Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit bis hin zu massiven wirtschaftlichen Schäden. Diese Netze sind daher als „kritische Infrastrukturen“ (KRITIS) klassifiziert und stehen besonders im Fokus.

Die Komplexität dieser Infrastrukturen erfordert ein Zusammenspiel vieler Akteure: Netzbetreiber, öffentliche Stellen, Katastrophenschutz und, im Verteidigungsfall, die Bundeswehr.

Zusammenarbeit bei Naturkatastrophen …

Auch im Frieden sind Energie- und Wasserversorger immer wieder mit Krisen konfrontiert, etwa durch Hochwasser, Stürme oder großflächige Stromausfälle. In solchen Fällen unterstützt die Bundeswehr im Rahmen der Amtshilfe:
  • Bereitstellung von technischem Gerät und Personal,
  • Unterstützung bei Evakuierungen und Notfallversorgung,
  • Wiederherstellung zerstörter Infrastrukturen,
  • Koordination mit zivilen Hilfsorganisationen.

Diese Zusammenarbeit wird regelmäßig geübt und hat sich in vielen Katastrophenfällen bewährt.

… und im Fall einer kriegerischen Auseinandersetzung

Im Ernstfall ist die enge Zusammenarbeit zwischen Versorgungsnetzbetreibern und der Bundeswehr von zentraler Bedeutung, um die Truppe zuverlässig mit Energie, Wasser und Telekommunikationsdiensten zu versorgen. Dies gilt insbesondere für die sogenannten Verfügungsräume und Sammelplätze des Militärs, an denen eine gesicherte Versorgung essenziell ist. Netzbetreiber können durch priorisierte Leitungen, mobile Versorgungseinheiten und den Aufbau temporärer Infrastrukturen dazu beitragen, die Einsatzbereitschaft und Kommunikationsfähigkeit der Streitkräfte auch unter erschwerten Bedingungen sicherzustellen.

Ausblick für eine widerstandsfähige Versorgung

Die Herausforderungen für Versorgungsnetze werden in einer komplexen und unsicheren Welt weiter zunehmen. Kriegstüchtigkeit und Resilienz sind keine statischen Zustände, sondern erfordern kontinuierliche Anpassung, Planung und Kooperation. Projekte wie der OperationsplanDeutschland, die Aufstellung von Heimatschutzregimentern und die institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Netzbetreibern sind wichtige Bausteine für eine sichere und widerstandsfähige Versorgung.

Erhalt der Energieversorgung

Die regelmäßige Überprüfung und Weiterentwicklung der bestehenden Konzepte, die Einbindung aller relevanten Akteure und eine offene Kommunikation über Bedrohungslagen und Schutzmöglichkeiten sind die Grundlage, auch in Zukunft die Versorgungssicherheit für Bevölkerung und Wirtschaft gewährleisten zu können.

Die Unterstützung der Bundeswehr für die Zivilgesellschaft bei Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Stürmen oder anderen außergewöhnlichen Ereignissen ist ein wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Gleichzeitig ist die Bundeswehr im Krisen- oder Kriegsfall auf die Mitwirkung und Solidarität der Zivilgesellschaft angewiesen, etwa durch freiwilliges Engagement, die Bereitstellung von Ressourcen oder die Aufrechterhaltung kritischer Infrastrukturen. Nur im Zusammenspiel beider Seiten – Bundeswehr und Zivilgesellschaft – lassen sich schwere Herausforderungen bewältigen und die Sicherheit sowie Versorgung der Bevölkerung gewährleisten.


Die Rolle von Rettungsdiensten und Netzbetreibern bei der Versorgung Geflüchteter, Kranker und Verwundeter

In Krisensituationen wie Naturkatastrophen, großen Unfällen oder bewaffneten Konflikten stehen Rettungsorganisationen – darunter etwa die Malteser und Johanniter – vor enormen Herausforderungen. Sie müssen binnen kürzester Zeit zahlreiche Geflüchtete, kranke, verwundete und leider auch verstorbene Menschen versorgen und betreuen. Die logistische und organisatorische Bewältigung solcher Szenarien erfordert eine enge Zusammenarbeit mit unterschiedlichsten Akteuren, insbesondere mit Netzbetreibern aus den Bereichen Energie, Wasser und Telekommunikation.

Logistische Sammelplätze und Erstversorgung

Bei einer plötzlichen und massiven Anzahl von Betroffenen müssen Rettungsorganisationen rasch Sammelplätze einrichten. Diese Sammelplätze dienen der Registrierung, Erstversorgung und dem Schutz der Menschen. Sie sind zentrale Anlaufstellen, an denen medizinische Hilfe, Verpflegung, Unterbringung und psychologische Betreuung bereitgestellt werden. Die Rettungsdienste bringen hier ihre Erfahrung in der Versorgung und Organisation ein, koordinieren Helfer und sorgen für die Sicherheit und das Wohl der Betroffenen.

Versorgung mit Energie, Wasser und Telekommunikation

Das Funktionieren der Sammelplätze ist maßgeblich von der Infrastruktur abhängig. Energie wird für Beleuchtung, medizinische Geräte, Heizung und Kommunikation benötigt. Wasser ist unverzichtbar für Hygiene, Verpflegung und medizinische Versorgung. Hinzu kommt die Telekommunikation, die für die Koordination der Helfer, die Information der Bevölkerung und die Kontaktaufnahme mit Angehörigen unerlässlich ist.

Netzbetreiber aller Sparten stehen hier vor der Aufgabe, kurzfristig Hilfsleitungen zu legen, mobile Stromgeneratoren bereitzustellen, Wasserlieferungen zu organisieren und Telekommunikationsnetze auszubauen oder zu stabilisieren. Dies auch besonders vor dem Hintergrund, wenn andere Blaulicht-Kräfte wie Feuerwehr und Technisches Hilfswerk (THW) anderweitig mit Manpower und Ausstattung gefordert sind. Die enge Kooperation aller Beteiligten ist die Grundlage für schnelle und effiziente Hilfe – und damit für den Schutz und die Rettung von Menschenleben.