Die Sicherheit der Energieversorgung sowie die Energiewende sind die Themen, die in unserer Branche mancherlei Maßnahmen erfordern. Wir sind als Netzbetreiber gefordert wie selten zuvor, manches schneller anzugehen, als es normal der Fall gewesen wäre.
Die Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) ist eine der Maßnahmen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. So ist vorgesehen, die Stromübertragungstrassen auf der Höchstspannungsebene über das bisher gewohnte Maß höher auszulasten. Dabei geht es vordringlich neben dem Ausbau der Stromübertragungsinfrastrukturen auch um deren Ertüchtigung sowie die Änderung der Konzepte für den Betrieb. Das beeinflusst elektromagnetisch wiederum andere technische Versorgungsinfrastrukturen wie metallene Rohrleitungen der Gas- und Trinkwasserversorgung.
Der VST-Justiziar, Rechtsanwalt Markus Heinrich, erläutert im Folgenden, welche Auswirkungen das für die Versorgungsnetzbetreiber hat.
Im Zuge der aktuellen Anforderungen an die Beschleunigung des Stromnetzausbaus und die Erhöhung der Übertragungskapazitäten ist es zwingend erforderlich, die mögliche Beeinflussung technischer Infrastrukturen wie insbesondere Rohrleitungen aus Metall im Auge zu behalten.
Diesem Umstand sollen die aktuellen §§ 49a und 49b des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) Rechnung tragn. § 49a EnWG regelt den Handlungsbedarf der Übertragungsnetzbetreiber Strom sowie der Betreiber der (sonstigen) technischen Infrastrukturen bei dauerhafter elektromagnetischer Beeinflussung und § 49b EnWG regelt den Handlungsbedarf bei lediglich temporäre Höherauslastung der Stromtrassen
Neben den aktuellen gesetzlichen Regelungen bleibt das bekannte technische Regelwerk ergänzend in Kraft, soweit es den neuen gesetzlichen Vorschriften nicht widerspricht. Dies sind die VDE-AR-N 4210-5 „Anforderungen bei witterungsabhängigen Freileitungsbetrieb“ und die DVGW GW22 „Maßnahmen beim Bau und Betrieb von Rohrleitungen im Einflussbereich von Hochspannungs-Drehstromanlagen und Wechselstrom-Bahnanlagen“. Ferner sind dies die DIN EN 12954:2020-02 „Grundlagen des kathodischen Korrosionsschutzes von metallenen Anlagen in Böden und Wässern“, die DVGW GW 11 „Qualifikationsanforderungen für Fachunternehmen des kathodischen Korrosionsschutzes (KKS)“ sowie den AfK-Verhaltenskodex „Umsetzung beeinflussungsrelevanter Vorhaben“.
Verursacherprinzip gesetzlich geregelt
Die neuen §§ 49a und 49b EnWG schreiben insbesondere das sogenannte „Verursacherprinzip“ nunmehr gesetzlich fest. Demnach hat der Übertragungsnetzbetreiber Strom also insb. Kosten für Korrosionsschutz (GW 22, GW 10, GW 28) sowie sonstige Kosten für Schutzmaßnahmen organisatorischer, betrieblicher und technischer Art gegenüber dem Betreiber sonstiger technischer Infrastrukturen zu tragen.
Hinzu treten teils zuvor bereits außerhalb des Gesetzes im AfK-Verhaltenskodex geregelte Pflichten zur gegenseitigen Information und Auskunft sowie Einigungsfristen und Regelungen zum Sachverständigeneinsatz. Hinzu tritt eine nunmehr erstmals ausdrücklich gesetzlich geregelte Duldungspflicht der Betreiber (sonstiger) technischer Infrastrukturen gegenüber den Übertragungsnetzbetreibern Strom hinsichtlich derer Kapazitätserhöhungen und Ausbaumaßnahmen.
Die Übertragungsnetzbetreiber Strom sind im Gegenzug dazu verpflichtet, die von ihren Maßnahmen potenziell betroffenen Betreiber zu identifizieren und zu informieren, um die Betroffenheit von der Maßnahme zu klären. Ferner müssen sie ihre Maßnahme im Bundesanzeiger veröffentlichen und die betroffenen Gemeinden informieren.
Die ÜNB sind in der Pflicht
Um allerdings überhaupt zu wissen, wer zu kontaktieren ist, muss der Übertragungsnetzbetreiber Strom zuvor seiner Ermittlungspflicht gem. § 49a Abs. 1 S. 2 bzw. § 49b Abs. 3 S. 3 nachkommen.
Zur Ermittlung der potenziell von der elektromagnetischen Beeinflussung betroffenen Betreiber technischer Infrastrukturen genügt dabei gemäß dem Gesetzeswortlaut:
„[…] eine Anfrage und die Nachweisführung durch den Übertragungsnetzbetreiber unter Verwendung von Informationssystemen zur Leitungsrecherche, die allen Betreibern technischer Infrastrukturen für die Eintragung eigener Infrastrukturen und für die Auskunft über fremde Infrastrukturen diskriminierungsfrei zugänglich sind.“
Hierzu bietet sich z. B. das Portal der BIL-Netzbetreibergenossenschaft an, an deren hierzu unter Mitwirkung einer Arbeitsgruppe der 4 Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) Strom ins Leben gerufenen Funktionen der sog. „Spannfeldanalyse“ unter anderem neben den ÜNB Strom auch alle Fernleitungsbetreiber Gas mitwirken und entsprechende Zuständigkeitskorridore unmittelbar für den Betrieb des gesetzlich entsprechend vorgesehenen Informationssystems zur Verfügung stellen. Die Erreichbarkeit sonstiger relevanter Betreiber wird durch eine ergänzende Recherchefunktion sichergestellt. Netzbetreiber werden so bei der Analyse potentieller Beeinflussung rechtzeitig und räumlich zutreffend identifiziert und berücksichtigt, erhalten zielgerichtet und zuständigkeitsgeprüft Kenntnis von konkret geplanten Maßnahmen und können selbst die Funktion der Nachbarschaftsanalyse verwenden.